Rückreise Teil II, MAD – CDG

Lesedauer: 6 Minuten

3 Stunden Aufenthalt klingen viel,
sind es aber nicht.
Das liegt einerseits an den langen Wegen, andererseits an einer Umständlichkeit, die hier, und nur hier, herrscht. Alles, was anderenorts mit einem Handstreich erledigt wird, entwickelt sich hier zu einem Staatsakt.

Die erste Umständlichkeit
liegt darin, für Oscar einen Flecken Grün zu finden. Wir haben vor drei Stunden das Haus verlassen, jetzt wäre es langsam an der Zeit der Natur Folge zu leisten.
Wir laufen auf der Ankunftsebene draußen so lange weiter, bis der Bürgersteig immer schmaler wird und dann ganz aufhört. Da vorne ist ein Rasen! Und es ist keine Rotonde mitten im Kreisverkehr. Schnell die Straßenseite gewechselt, vorbei am Busbahnhof für Pauschalreisende, und da liegt die grüne Pracht, geschmückt mit einem asiatischen Kunstwerk.

Etwas Grün in MAD

Etwas Grün in MAD

Die zweite Umständlichkeit
liegt darin, den Check-In zu finden. Irgendwann finde ich Monitore mit Abflugzeiten, aber kein einziger AF-Flug wird angezeigt. Unter den Monitoren steht, man soll den Flughafenservice fragen, wenn der gewünschte Flug nicht angezeigt wird. Ein Lageplan wäre schön. Reklametafeln noch und nöcher. Noch mehr Air Europa Schalter. Ich frage an einem dieser Schalter, und wäre ich zehn Meter weiter gegangen, hätte ich es von selbst gefunden.
Wir haben noch über eine Stunde Zeit und besetzen eine Bank auf Höhe des Sky Priority- Schalters.
Während ich anfange den vorherigen Beitrag zu tippen, kommen Kinder vorbei und wollen, sehr zum Missfallen der Eltern, Oscar streicheln. Plötzlich steht kein Kind, sondern ein großer Mann vor mir und spricht mich in gebrochenem Englisch an. Ob ich nach Berlin flöge via Paris? Yes. Ob ich aus Vigo käme? Yes.
Er geht zu seinem Sky Priority-Schalter zurück, sein Wissendurst scheint gestillt zu sein, und schickt mir seinen Kollegen, der

die dritte Umständlichkeit
anzettelt.
Er fragt nach Oscars Reisepass, hält mir einen Vordruck zur Unterschrift unter die Nase und…ich schneide ihm das Wort ab. Habe ich alles bereits Zuhause ausgefüllt, Oscars Heimtierausweis habe ich fotokopiert, eine Kopie seiner Beförderungskostenquittung habe ich auch dabei usw…Er freut sich, ob so guter Organisation und schreitet davon.
Er kommt wieder und fragt, ob Oscars Container verschraubt ist. Es seien Air France Vorschriften. Ich weiß. Ich verschraube die Box zusätzlich.

Mich beschleicht ein ungutes Gefühl,
ein sehr ungutes! Von den im vorhergehenden Absatz beschriebenen Anforderungen und Dokumenten musste ich bislang nirgendwo irgendeines vorweisen. Er nimmt es aber buchstabengenau – muss wohl am Flughafen liegen, denn prompt beginnt

die vierte Umständlichkeit.
Plötzlich stehen beide Mitarbeiter vor mir und drängen mich einzuchecken, denn sie müssten mich zur Sicherheitskontrolle begleiten. Ich bin mir sehr sicher, mehrmals gefragt zu haben, wann wir den Hund einchecken wollen.
So reihe ich mich in die Schlange ein. Es kommt die obligatorische Frage, ob ich einen Koffer einchecken möchte. Nö, habe ich schon in Vigo gemacht. Oh ha! Oh haue haue ha! Das wirft sein Weltbild durcheinander. Das dürfe nicht sein, der Koffer reist in den selben Etappen wie der Hund. Joah, das Personal von Vigo halt. Er klimpert wie wild und lange, sehr lange, sehr sehr lange auf der Computertastatur rum, um meinen Koffer umzuleiten – nicht in den Flieger, sondern auf die Parking Position, damit er ein neues Etikett anbringen kann.
Ja, es sind die Air France Statuten, aber die Frage muss erlaubt sein, ob der (zeitliche) Aufwand in einem gesunden Verhältnis dazu stehen, zumal ich den Koffer in CDG direkt nach Ankunft wieder einchecken durfte.
Ich stelle mich zu einem holländischen Paar, dass ebenfalls Sperrgepäck hat und wir machen uns auf zu

Umständlichkeit Numero 5,
die sich als Unannehmlichkeit entpuppt, bei der es ganz gewaltig rummst.
In der Sicherheitskontrolle erwartet uns eine schlecht gelaunte Frau, die kaum „guten Tag“ und „bitte“ geschweige denn „Danke“ sagen kann. Ihre Laune verschlechtert sich minütlich.
Ich lasse mir ihre Launen gefallen, auch ihre pampigen Antworten, und frage den Air France Mitarbeiter, ob das normal sei. „Nein“. Sein Gesicht ist eine Mischung aus Irritation, Verwunderung und Belustigung.
Plötzlich raunzt die Sicherheitsmitarbeiterin den AF-Mitarbeiter an, ob er neu sei. Wieso? Ob er neu sei? Sonst wüsste er, dass der Hund in den Container müsste. Er sagt zu ihr, dass sie sich beruhigen solle, der Transporter sei noch nicht da und der Hund würde die Halle nicht verlassen. Hätte er mit der Wand geredet, wäre das fruchtbarer gewesen!
Der Transporter kommt, Oscar wird verladen und ich erlaube mir ein Foto zu machen – gegen besseres Wissen!

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Natürlich keift sie mich an und natürlich ignoriere ich sie. Als sie das dritte oder vielleicht auch schon das fünfte Mal keift, dass Fotos machen verboten wäre, reißt mir die nicht vorhandene Hutschnur und ich schreie zurück „Ich weiß es, aber es interessiert mich nicht!“ Das war der Startschuss für den täglichen Rassismus: Aus welchem Land ich käme? Wenn sie in mein Land käme, würde sie auch die Regeln befolgen. Ich erlaube mir anzumerken, dass ich bezweifele, dass sie mit diesem Benehmen in meinem Land viel Spaß haben wird und bekomme zur Antwort…“Deshalb fahre ich auch nicht in Ihr Land!“. Äh jaaaa…
Sie fordert mich auf, die Bilder zu löschen. Ich verneine. Gezeter. Mehr Gezeter. Noch mehr Gezeter. Sie ruft weinerlich zu ihrem Vorgesetzen rüber, ich würde einfach so Fotos machen. Mimimimi. Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie nicht die Guardia Civil sei, sondern nur die Angestellte eines Subunternehmen, und ich die Bilder nur lösche, wenn es die Polizei befiehlt. Sie haut sich mit ihrer rechten Hand an die linke Schulter und tönt „Yo soy la Seguridad!“ (Ich bin die Sicherheit!). So viel Pathos ist dann doch zu viel für mich und ich fange an zu lachen.
Die Umherstehenden gehen auf Sicherheitsabstand, denn mittlerweile haben wir eine Lautstärke erreicht, die nur noch von einer Horde Marktschreier übertroffen werden kann.
Das Gesicht des herbeigerufenen Vorgesetzten (oder Kollegen) ziert ein Ausdruck von Langeweile, als würde er diese Situation zum x-ten Mal durchleben.
Sie reitet zum elfundneunzigsten Mal auf den Fotos rum.  Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie nervt. Ihr Vorgesetzter will die zwei Fotos weder sehen, noch soll ich sie löschen. Vielmehr will er mich beschwafeln: sie hat eine etwas brüske Art, macht doch nur ihre Arbeit und ich soll sie respektieren. Ne, is klar. Ich lasse ihn wissen, dass die Umgangsformen der Frau unter aller Kritik sind und ihr Auftreten präpotent ist.
Er kapiert es, kann es aber nicht zugeben, sie hingegen begreift es immer noch nicht. Ich spreche zu ihr, wie zu einem minderbemittelten Kind: „Ich habe kein Problem damit, das und wie Sie die Arbeit erledigen; ich habe ein Problem mit Ihnen als Person. Ihre Manieren sind nicht von dieser Welt und Sie sind überheblich!!“ Sie rafft es nicht.
Stattdessen baut sie sich lieber vor den beiden Polizisten der Guardia Civil auf, stramm wie ein Soldat, der rapportiert. Und genauso straff ist plötzlich auch ihre Sprache, als sie über das Problem berichtet, dass die beiden Fahrräder der Holländer nicht durch das Röntgengerät passen.
Der Mitarbeiter der Air France nutzt die Gelegenheit und manövriert mich in den Aufzug.

Boarding
wie gehabt unkompliziert.
Da ich selbst gesehen habe, dass Oscar auf dem Transporter gen Flugzeug fuhr, und ich den Verladevorgang vom Wartebereich aus beobachtete, verkneife ich mir die Frage, ob er schon im Frachtraum ist.
Leider muss der junge Familienvater aufstehen, damit ich an meinen Fensterplatz kann. Seine kleine Tochter bleibt hocken und zieht die Beine an. Sie entwickelt sich im Laufe des Fluges zu einem kleinen Wirbelwind, und ihr Vater hat reichlich damit zu tun, ihre Extremitäten im Bereich ihres Sitzes zu behalten. Ich bekomme mit, dass die Kleine zu den beiden Klein- und Kleinstkindern samt Mama auf der anderen Seite des Ganges gehört. Und diese Familie gehört zu einer Gruppe von mehreren Familien, die sich kennen. Das heißt: Vor mir Kinder, rechts neben mir Kinder, hinter mir Kinder, nur links das Fenster verspricht Ruhe. Wieso trifft es immer mich?
Mich langweilt und ich greife mir das Bordmagazin. Ich blättere durch das Magazin bis zu einem Artikel, der eine lange Fotostrecke mit interessant gestalteten Fotos beinhaltet. Die Kleine schaut neugierig rüber. Sie greift sich ebenfalls ein Heft und tut es mir gleich. So also bekommt man kleine Kinder ruhig…
Irgendwann bin ich durch das Heft durch. Und nun? Die junge Dame neben mir wird schon wieder unruhig. Ich baue das Laptop auf und schaue ein Madonna-Konzert. Das Mädchen zieht gleich und Papa muss ihr das Tablet rauskramen, damit sie einen Zeichentrickfilm schauen kann.
Zwischendurch heißt es noch Essenfassen.

Jambon Wrap, Air France

Jambon Wrap, Air France

Mich umtreibt die Angst, dass der kleine Zappelphilipp neben mir eine ungeschickte Bewegung macht und der Kaffee, statt in meinem Magen, auf dem Kind landet. Also drücke ich mich ans Fenster und versuche so viel Abstand wie irgend möglich zwischen uns zu bringen.

Wir landen pünktlich in CDG
und ich sammele meinen Koffer ein, um mich dann auf die Suche nach Oscar zu machen. Der wurde nicht da abgeladen, wo ich ihn vermutete, sondern am Ende der Halle zwischen Unmengen Kinderbuggys.
Jetzt heißt es sechs Stunden lang die französische Gastfreundschaft auf dem Flughafen genießen.

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