ist eine Empfehlung
der studentischen Aushilfe an der Rezeption meines Hotels und derzeit auf Platz 6 bei Tripadvisor.
Ich wollte was Preiswertes mit typisch lettischen Speisen und bekam zwei Empfehlungen. Mit dem ALA fange ich an.
Die Straße „Peldu iela“
beherbergt weitere Gastrobetriebe und ich renne erst einmal an meinem Ziel vorbei. Das liegt maßgeblich daran, dass junge Leute rauchend und trinkend vor der Tür stehen und nichts den Anschein einer Futterstelle hat. Hätte ich die Online-Rezensionen gelesen, hätte ich gewusst, dass sich das Lokal im Keller befindet. Habe ich aber nicht, weil ich mich nicht von fremden Meinungen beeinflussen lassen will. Ich hätte auch den Webauftritt anschauen können und hätte gelernt, dass „pagrabs“ Keller bedeutet. Hätte, hätte, Fahrradkette.
Also die Treppe runter,
einen langen Gang entlang, vorbei an WC, Garderobe, Bibliothek in den Gewölbekeller. Die Luft wird im gleichen Maße stickiger, mit der die Lautstärke zunimmt. Es ist voll – randvoll. Mit meinen knapp 50 Jahren drücke ich den Altersdurchschnitt deutlich nach oben; junge Leute so weit das Auge reicht. Ich werde im Laufe des Abends noch den einen oder anderen Altersgenossen sehen, aber wir bleiben in der Minderheit.
Ich frage einen jungen Kellner nach einem Sitzplatz und er bietet mir einen Platz an der Theke oder an einem Wandtisch an. An der Theke sitzend oder stehend essen, und dauernd angerempelt werden, ist mir zu doof, also wähle ich den Wandtisch. Ein richtiger Katzentisch: An zwei Seiten die Wand, hinter mir ein Sofa, links der stark frequentierte Gang mit Thekeneingang und der Küche.
Der Kellner
bringt die Karte und fragt nach meinem Getränkewunsch. Bier. „Helles oder Dunkles?“ Dunkel. „Mild, herb oder dazwischen?“ Dazwischen. „0,3l, 0,5l oder 3 Liter?“ Drei Liter sind etwas übertrieben, also 0,5l. Während ich auf das Getränk warte und die Karte studiere, verstehe ich auch, was das Frage-und-Antwort-Spiel sollte: Alleine hätte ich mich im Angebot von 27 Bieren nicht zurechtgefunden.
Das Bier kommt und seine Auswahl trifft meinen Geschmack. Ich bestelle als Vorspeise einen „Chefsalat mit Ziegenkäse und Hühnerbruststreifen“. Meine Frage nach einer typisch lettischen Hauptspeise beantwortet er mit Fingerzeig auf drei Gerichte. Ich entscheide mich für „graue Bohnen im Brotlaib“.
Die Live Musik
spielt auf. Janis Joplins „Oh, Lord won’t you buy me a Mercedes Benz“ dringt an mein Ohr. Da ich gerade mit mir hadere, ob ich ein Auto brauche, nehme ich das als ein Zeichen. Ich verlasse meinen Tisch, um einen Blick in den Schankraum zu werfen. So mancher deutscher Gastronom gäbe was dafür, wenn sein Laden sonntags um 21 Uhr so voll wäre.
Mein Kellner scheint Redebedarf zu haben und fragt, ob er helfen kann. Ich erkläre ihm, dass ich neugierig bin und wir kommen ins Gespräch. Der Job macht ihm Spaß, auch wenn es so voll ist. Er erzählt mir von den verschiedenen Musikabenden von Rock bis Karaoke und dass es ab nächster Woche noch voller wird, wenn die Studenten kommen. Ich erfahre, dass die Räumlichkeiten ursprünglich ein Weinkeller waren, die zugeschüttet wurden. Er scheint alle Zeit der Welt zu haben, während seine Kollegen die ansprechendsten Speisen vorbeitragen, stehen wir rum und plaudern.
Meine Vorspeise kommt
nach rund 20 Minuten. Am Salat gibt es nicht zu mäkeln. Alles ist frisch, nichts wirkt wie aus der Tüte. Selbst der Ziegenkäse findet mein Gefallen, obwohl ich normalerweise einen großen Bogen um Käse mache. Die zarte Textur und der milde Geschmack erinnern mich an Mozzarella. Dazu gibt es die traditionelle gebratene Schwarzbrotscheibe mit Knoblauch.
Einen dicken Minuspunkt gibt es für das Fleisch, das ungleichmäßig warm ist. Für eine Vorspeise ist die Menge ordentlich.
Das Hauptgericht
braucht noch einmal so lange und angesichts der Leckereien, die an mir vorbeigetragen werden, zieht sich die Wartezeit ins Unendliche. Als mein Hauptgang endlich kommt, deckt die Bedienung den Tisch mit Messer, Gabel und Suppenlöffel ein und erklärt mir, wie jedes Instrument anzuwenden ist. Als erstes steigt mir ein kräftiger Knoblauchgeruch in die Nase, was durch den ersten Bissen bestätigt wird. Schmeckt! Wäre nicht der gebratene Speck, wäre es auch was für Vegetarier.
Bei späterer Gelegenheit, bei einem Stadtrundgang, wird die Stadtführerin fragen, wer schon mal etwas typisch lettisch gegessen hat. Dabei werde ich erfahren, dass „graue Bohnen“ in früheren Zeiten ein Zeichen von Wohlstand waren.
Nachdem ich die Bohnen aufgegessen habe, erklärt sich die Einweisung in den Gebrauch des Bestecks: Mit dem Suppenlöffel den Brotlaib aushöhlen und den Rest mit dem Messer kleinschneiden. Nach der Vorspeise schaffe ich die Portion nicht ganz. Etwas vom Brot bleibt über und konsequenterweise fällt der Nachtisch aus.
Ich bin rundum zufrieden,
denn ich hatte einen aufmerksamen Kellner, gutes Bier, einen leckeren Salat, eine sättigende Hauptspeise und handgemachte Musik, die, aufgrund meiner geschützten Sitzposition, mich in angenehmer Lautstärke beschallte. Ich bitte um die Rechnung und bin angenehm überrascht:
- Vorspeise: € 4,90
- Hauptgericht: € 5,10
- 0,5 l Bier: € 2,80
- Live Musik: € 0,00
- Total: € 12,80
Das lässt sich nur schwer toppen!