und mittellos
sollte mein Urlaub beginnen. Am Abend des
07.11.2016
hielt ich meine Brieftasche im Supermarkt zuletzt in Händen. Danach verschwand sie an ihren angestammten Platz hinter einem Reißverschluss. An diesem Abend fing es an sich einzuregnen und wir haben den Abend im Hotelzimmer verbracht. Gegen 22 Uhr wollte ich auf den Balkon treten, um zu prüfen, ob es noch regnet. Zu meinem Erstaunen stand die Balkontür einen Spalt weit offen, was durch die zum Teil zugezogenen Vorhänge verdeckt wurde. Theoretisch hätte sich jeder den Tag über Zugang zu meinem Zimmer verschaffen können. Oder jetzt, während ich zum Beispiel im Bad war. Da das Tablet an seinem Platz lag, das Zimmer nicht durchwühlt aussah, tat ich es als Schludrigkeit des Zimmermädchens ab. Nachdem ich die Balkontür schloss, bin ich mit dem Hund kurz um den Block. Die Zimmertür habe ich natürlich verschlossen. Am Morgen des
08.11.2016
gingen die Dinge ihren gewohnten Gang. Ich habe wie immer lange am Frühstückstisch gehockt, was 1 – 1½ Stunden entspricht, und als ich mein Zimmer erreichte, war es schon hergerichtet. Meine Sachen lagen da, wo ich sie abgelegt hatte und sahen unauffällig aus. Nach der Morgentoilette verließ ich das Haus, um einen Ausflug zu unternehmen. Die Tasche mit meiner Geldbörse habe ich nicht weiter untersucht, lediglich getastet, ob die Börse noch da ist. Während des Ausfluges hat sie das Auto nicht verlassen. Selbstredend, dass ich das Auto verschloss, wenn ich mich entfernte.
Am späten Nachmittag kehrte ich in ein
Café
ein. Als ich gegen 17 Uhr das Portemonnaie hervorfischte, um zu zahlen, fuhr mir der Schreck in die Glieder: Da wo die Kreditkarten sein sollten, blickte ich ins Leere. Das Geldscheinfach samt Kassenbons ausgeräumt. Das Münzfach, bis auf einen verkeilten Groschen, geleert. Selbst das kleine Reißverschlussfach, dass ich nie nutze, wurde untersucht, wie ich am offenen Zipper erkannte. Ausweispapiere und alles andere wurden mir gnädigerweise gelassen. Mein erster Gedanke: „Du musst zur Polizei!“. In der Nebensaison ein sinnloses Unterfangen, weil oft nicht besetzt. Zum Glück hatte ich noch ein paar Münzen in der Jackentasche und konnte die Zeche zahlen. Dann im Tiefflug zurück ins Hotel, was rund 45 Minuten dauerte. Nicht vorzustellen, was man in der Zeit mit den Karten hätte anstellen können. Im
Hotel
angekommen ging ich ohne Umwege auf die Wirtin zu. Als ich ihr eröffnete, dass mir die Karten geklaut wurden und dass ich vermute, dass es im Hotel geschah, hätte ihre Reaktion nicht anteilnahmsloser sein können. Aus ihrem regungslosen Gesicht löste sich ein unbeteiligtes „Oh“. Hat sie wohl schon öfters erlebt? Immerhin durfte ich ihr Telefon und das Internet benutzen. Die ganze Zeit stand sie in meiner Nähe, statt sich um ihre Gäste im Restaurant zu kümmern, und bekam so meine Telefonate mit. Dachte sie jetzt echt, dass ich ihr einen Bären aufbinde?
Glück im Unglück: Keine der Kreditkarten wies eine (versuchte) Transaktion auf. Heute, mit einigem Abstand betrachtet, eigentlich logisch: Die Karten sind per PIN geschützt und die kontaktlose Zahlungsfunktion ist auf Kleinbeträge begrenzt. Und niemand wird so dämlich sein, die Karten im Onlinehandel einzusetzen, wenn aufgrund von IP und Lieferadresse Ermittlungen eingeleitet werden können. Offensichtlich war der Kartendiebstahl ein Ablenkungsmanöver. Eines, das nur Arbeit generiert.
Die Geschäftsführerin erzählt mir, dass sie heute während der Frühstückszeit mein Zimmer machte und nichts Auffälliges bemerkte. Ihre Miene verzieht sich, als ich die gestrige offene Balkontür erwähne.
Ein Problem tat sich auf: Mir standen noch zehn Tage Urlaub bevor und ich war mittellos. „Darüber mache ich mir keinen Kopf“ erwiderte sie, „Zahlen Sie die Rechnung per Überweisung aus Deutschland.“ Mit diesem Wissen im Hinterkopf ging ich auf mein
Zimmer
und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Wie ich es auch drehte und wendete, ich kam immer zum selben Ergebnis: Der Diebstahl muss im Hotel stattgefunden haben. Auch heute, nach mehreren vergangenen Wochen, finde ich keine andere Erklärung.
Den Geldbeutel untersuchen, selektiert Sachen entnehmen, dann wieder ordentlich an seinem Platz verstauen, den Reißverschluss schließen und die Tasche wieder so hinstellen, dass der Diebstahl nicht (sofort) auffällt, all das beansprucht Zeit. Ein Dieb, der sich an meinem Kofferraum zu schaffen gemacht hätte, hätte das Geldsäckel einfach zurück in den Kofferraum geschmissen. Wahrscheinlich hätte er es sogar eingesackt und an einem ruhigen Ort geleert. Ich bin auch nicht angerempelt oder sonstigen Tricks der Taschendiebe aufgesessen. Mal davon abgesehen, dass sie die Brieftasche entwendet und dann weggeschmissen hätten.
Das Ganze bekommt noch ein ganz besonderes Geschmäckle, weil eine Online-Bewertung vom 18.08.2016 zum selben Thema existiert. Als ich am ersten Abend mit dem Patron zusammensaß, tat er den Vorfall des spanischen Gastes noch als Räuberpistole ab und zog es ins Lächerliche.
Als sich meine Nerven beruhigten und konstruktives Denken die Oberhand gewann, fiel mir was ein. Beim Kofferpacken in Deutschland beschlich mich ein mulmiges Gefühl. Erstmals in meinem Leben habe ich eine Ersatzkarte im Gepäck versteckt. So gut verborgen, dass es mir nicht sofort in Erinnerung kam. Zumindest konnte ich so
am nächsten Morgen
die Zeche begleichen. Diesmal war auch ihr Ehemann anwesend, doch die beiden verloren kein weiteres Wort über den Vorfall. Plakatives Desinteresse (oder einfach nur Überforderung) schwebte unausgesprochen im Raum. Wenn sich 2½ Monate zuvor ein ähnlicher Fall zugetragen hat, würde ich als Betreiber alles in die Wege leiten, den Fall aufzuklären. Sind Schlüssel abhanden gekommen? Existieren unerlaubte Schlüsselkopien? Will jemand an meinem Ruf kratzen? Ich baue mir doch nicht acht Jahre lang eine Existenz auf, und plötzlich stehen zwei Diebstahlsverdachte im Raum.
Auf Anraten der Betreiberin meiner nächsten Unterkunft informierte ich das mallorquinische Tourismusministerium.
Nachtrag vom 09.12.2016:
Mir liegt die Eingangsbestätigung meiner Beschwerde beim mallorquinische Tourismusministerium vor, inklusive Name und Kontaktdaten des Bearbeiters.